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Jahresempfang BDA Berlin

28. Mai 2017

Foto: Rainer Gollmer
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European School of Management and Technology im ehemaligen Staatsratsgebäude

Taten folgen lassen

Ein wahrlich angemessener Rahmen: Vis-à-vis der Schlossbaustelle und in Blickweite der Baustellen am Schinkelplatz und der Attrappe der vieldiskutierten Bauakademie lud der BDA Berlin zu seinem Frühjahrsempfang in das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR. Der Reihe nach residierten hier Walter Ulbricht, Willi Stoph, Erich Honecker, Egon Krenz, Manfred Gerlach als Vorsitzende des Staatsrats der DDR und – vor der Fertigstellung des Bundeskanzleramts – von 1999 bis 2001 auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Heute beherbergt dieses Haus die private Hochschule European School of Management and Technology.

Foto: Rainer Gollmer
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Georg Garlichs, CFO ESMT

Nach launigen Einführungen des Vorsitzenden des Landesverbands, Andreas R. Becher, und dem Geschäftsführer der ESMT, Georg Garlichs, hielt der Architekturkritiker Niklas Maak einen beeindruckenden Festvortrag: Eine Art Medley von Texten und Vorträgen hatte der Träger des BDA-Preises für Architekturkritik zusammengestellt. Maak hat zum Bauen im Allgemeinen und zu Berlin im Speziellen schon vieles gesagt und geschrieben. Und so erschien es ebenso folgerichtig wie trefflich, dass er hier Fragmente kompilierte, die in ihrer auf den Ort gemünzten Zusammenschau hervorragend ineinander griffen. Mit Hinweis auf die „Schattenseiten der Architektur“, auf „das Desaster, mit dem wir es zu tun haben“, begann der Festredner und deutet aus dem Fenster. Dabei ging es ihm jedoch weniger um das Schloss, als um die Bauten nördlich und westlich der Schinkelschen Bauakademie. Dort, so Maak, seien Häuser entstanden – die er bewusst nicht als Architektur benannt wissen wollte –, die vor allem interessant seien ob der Art und Weise, wie sie in der Öffentlichkeit kommuniziert würden. In diesem Fall bedeutet das vor allem: vermarktet werden. Ein „ideales Leben“ werde hier propagiert, das mindestens zweifelhaft in Szene gesetzt wird, wie ein Beispielbild aus dem Werbeprospekt belegt: mit einer Armee nämlich, die in Reih und Glied vor den Pyramiden von Gizeh Aufstellung genommen hat. Nach was „in diesem Loch, in dem ein wenig Beton zu sehen ist“ gegraben wird, dafür sprach das nächste an die Wand projizierte Blatt der entsprechenden Vermarktungsbroschüre: „Stadtgold“. Die Goldgräberstimmung der Investoren und vor allem den Ausdruck, den sie findet, prangerte Maak an.

Foto: Rainer Gollmer
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Niklas Maak

„Eine populistische Architekturpartei hat sich hier gegründet“ und schlimmer noch: Sie habe, so Niklas Maak, einen propagandistischen Vorsprung, der sich auch darin ausdrücke, dass hier eine Sprache gesprochen würde, die jenseits von „Architekturszenewörtern“ und fachspezifischen Kongressen, von den Menschen verstanden werden könne. Zu recht wies der FAZ-Feuilletonredakteur darauf hin, dass das in den Werbebroschüren und -Videos gezeigte Bild dem kritischen Betrachter Angst und Bange werden lasse – architektonisch wie gesellschaftlich. „Eine Frau, die den Tag damit verbringt, einkaufen zu gehen und – so man dem Video glauben darf – etwa von 12 Uhr mittags bis in die Abendstunden im Roofpool zu sitzen, prostet ihrem Mann abends voller Dankbarkeit mit einem überdimensionierten Rotweinglas zu.“ Um es besser zu machen, so Maak, sei jedoch alles vorhanden. So hätten beispielsweise die Ausstellung „Neue Standards“ und „Urban Living“ gezeigt, dass nicht nur theoretisch in die richtige Richtung gedacht würde, sondern auch die Möglichkeiten dazu vorlägen, diese Gedanken in die gebaute Wirklichkeit zu übertragen.

Foto: Rainer Gollmer
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Wie groß dieses Potential ist, zeigten unter anderem die neu in den BDA-Berlin berufenen Architektinnen und Architekten, die im Laufe der Veranstaltung vorgestellt wurden. Neben den Teams MensingTimofticiucArchitects, brandt + simonarchitekten und vn-a visualnetworkartarchitecture sind das Jens Brinkmann (United Architektur), Philipp von Matt (Philipp von Matt Architects), Laura Fogarasi-Ludloff (Ludloff + Ludloff Architekten), Jan Wiese (Jan Wiese Architekten) und Sigurd Larsen (Sigurd Larsen Design & Architecture). Mit der Auswahl der drei außerordentlichen Mitglieder, die neu berufen wurden, bewies der Landesverband zudem ein sicheres Gespür für mögliche Anknüpfungspunkte in Politik und Wissenschaft. Neben Petra Wesseler, der Präsidentin des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung BBR, wurden die stellvertretende Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, Anne Schmedding, und die in Stuttgart lehrende Soziologin Christine Hannemann in den Wahlbund aufgenommen.

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Kristin Feireiss, Ehrenmitglied BDA Berlin

Dazu wurden mit der Kuratorin und Mitbegründerin des Berliner Architekturforums AEDES, Kristin Feireiss, und dem ehemaligen Hauptstadtarchitekten der DDR, Roland Korn, zwei Ehrenmitglieder berufen. Feireiss, die nach dem Studium der Geschichte und Philosophie in Frankfurt am Main zunächst als Journalistin beim Springer-Verlag sowie beim Internationalen Design Zentrum in Berlin arbeitete, gründete 1980 zusammen mit der inzwischen verstorbenen Helga Retzer das Architekturforum AEDES. Zudem leitete sie von 1996 bis 2001 das Niederländische Architekturinstitut (NAI) in Rotterdam. Neben zahlreichen Jury-Teilnahmen und Ehrungen ist Feireiss seit 2013 Jurymitglied des Pritzker-Architekturpreises. Seit 1994 leitet sie AEDES gemeinsam mit ihrem Partner Hans-Jürgen Commerell in ihren heutigen Räumen im Kulturquartier Pfefferberg in Berlin-Prenzlauer Berg. Mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft möchte der BDA Berlin nicht nur Feireiss‘ „einzigartiges Lebenswerk“ würdigen, sondern ihr stetes Streben, einen Beitrag „für die Auseinandersetzung mit der gestalteten Umwelt in der Öffentlichkeit“ zu leisten.

Foto: Rainer Gollmer
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Andreas R. Becher, Vorsitzender BDA Berlin und Roland Korn, Ehrenmitglied BDA Berlin

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Mit der Ernennung Roland Korns sollte schließlich sowohl ein Zeichen zur Würdigung der Architekten in der ehemaligen DDR gesetzt, als auch ein architektonisches Werk gewürdigt werden, das das Bild maßgeblich prägte, von dem was heute gerne und verkürzt als „Ostmoderne“ dargestellt wird. Korn arbeitete bis 1955 mit dem Innenarchitekten Erich Bogatzky bei Kurt W. Leucht für die „erste sozialistische Stadt Stalinstadt“, das heutige Eisenhüttenstadt. Noch keine dreißig Jahre alt, konnte er 1959 bis 1961 nach gewonnenem Wettbewerb die Elbe-Schwimmhalle in Magdeburg realisieren. Im direkten Anschluss wechselte Korn als Kollektivleiter zum VEB Berlin-Projekt. In dieser Funktion wurde er mit den wichtigsten Projekten der DDR-Planung betraut. Unter der Leitung von Hans Grotewohl entstanden in seinem Kollektiv die Planungen für den Umbau des Alexanderplatzes, wo Korn gemeinsam mit Erich Bogatzky und Heinz Scharlipp für das Interhotel Berlin, dem heutigen Park Inn, verantwortlich war. Wenige Jahre später entstand hier auch das gemeinsam mit Johannes Briske und Roland Steiger geplante „Haus des Reisens“. Auch die Großsiedlungen Marzahn und Hellersdorf, das 1990 eröffnete Dom Hotel und das inzwischen abgerissene Palast-Hotel gehen auf Entwürfe aus der Feder von Roland Korn zurück. Obschon die Geste, die mit Korns Ehrung einherging, unisono verstanden und anerkannt wurde, vermissten einige Anwesende eine kritische Auseinandersetzung mit der Funktion des Architekten in der DDR im Allgemeinen und der Rolle des ehemaligen Hauptstadtarchitekten im Speziellen. Dennoch wurde hier ein inhaltlich schlüssiger Kreis gezogen, stammt doch auch der Entwurf für das 1964 fertiggestellte ehemalige Staatsratsgebäude von Roland Korn, der auch von 1971 bis 1990 Vizepräsident desBdA der DDR war.

Foto: Rainer Gollmer
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Neben dieser Volte am Ende bleibt eigentlich nur die Frage, wann die Anwesenden Architektinnen und Architekten ihren Beifallsbekundungen für die Worte Niklas Maaks tatsächlich Taten folgen lassen. Mindestens ein Teil dessen, was Maak „dort draußen“ als „Desaster“ erkannt haben wollte, geht schließlich, wie Andreas R. Becher in seiner Eröffnung betonte, auf das Konto von BDA-Architekten. Diese, so Maak, mögen sich erheben, die Stimme des Volkes sprechen, medienwirksam Vorschläge zur Verbesserung von Stadt und Gesellschaft postulieren und den Architekturpopulisten lautstark und selbstbewusst entgegentreten. Und so ist es gut, dass es Leute wie ihn gibt, die nicht müde werden, das Gesagte (in seinem Fall auch Geschriebene) zu wiederholen und den Finger wieder und wieder in die Wunde zu legen. Maak betonte schließlich, dass das Potential zur Verbesserung da ist, und wer sich im Festsaal umsah, konnte merken, dass es sogar anwesend war.

David Kasparek