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Nachruf auf Meinhard von Gerkan

12. Dezember 2022

Am 30.11.2022 ist der Architekt Prof. Dr. h. c. mult. Meinhard von Gerkan im Alter von 87 Jahren in Hamburg gestorben.

Mehr als fünfzig Jahre lang hat er gemeinsam mit seinem Partner und Weggefährten Volkwin Marg das Architekturgeschehen in Deutschland und weit über seine Grenzen hinaus wesentlich mitgestaltet.

Wir verlieren einen großen und überaus geschätzten BDA-Kollegen, der sich als leidenschaftlicher Architekt ebenso wie als engagierter Hochschullehrer und Förderer des Nachwuchses um die Baukultur verdient gemacht hat.

Im folgenden finden Sie einen Nachruf von Volkwin Marg, der Meinhard von Gerkan über 50 Jahre bis zuletzt als Partner und Freund begleitet hat.

Marcus Bredt
Marcus Bredt
Volkwin Marg und Meinhard von Gerkan

Nachruf auf meine Freund und Weggefährten
Meinhard von Gerkan

Voller Dankbarkeit verabschiede ich mich von meinem langjährigen Freund und Weggefährten Meinhard von Gerkan. Hinter uns liegen sechs schöpferische Jahrzehnte gemeinsamen Entwerfens und Planens – anfangs in der geteilten Studentenbude, seit 1965 im gemeinsamen Büro in unserer Architektenpartnerschaft. Was als Zwei-Mann-Betrieb und mit einer Anzeige im Hamburger Abendblatt begann: „Architektenzeichnungen fertigen billigst, Tel.: 451026″ ist heute zu einem weltweit erfolgreichen Unternehmen geworden.

Ich bin stolz darauf, was Meinhard und ich gemeinsam mit unseren Partnern und Mitarbeitenden in mehr als einem halben Jahrhundert geschaffen haben. Auf unsere Bauten, die in Deutschland und weltweit anerkannt und gewürdigt werden. Wir haben zusammen stets für gute Architektur gekämpft, sehr oft gewonnen und manchmal auch verloren.

Dabei hatte sich unsere Arbeitsweise im Laufe unserer mehr als fünfzigjährigen „Berufsehe“ nur unwesentlich geändert. Frei nach General Moltkes Devise ,,Getrennt marschieren, vereint schlagen“ haben wir unsere Entwürfe getrennt bearbeitet, in allen grundlegenden Belangen einander aber stets konsultiert. Uns einte die Entwurfsgesinnung, so dass wir inhaltlich und konzeptionell immer nach gemeinsamen Grundsätzen handeln konnten, im stetigen Dialog über den Geist des Ortes, den Nutzungszweck und die Forderung nach sozialer Güte zu menschenwürdiger Architektur. Bis zuletzt verband uns eine begeisternde Zusammenarbeit. Ich werde diesen Austausch mit ihm vermissen.

Uns verbanden darüber hinaus die Erfahrungen unserer Generation: Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges, die Folgen des Kalten Krieges, die deutsche Teilung, der Fall der Mauer, der Gewinn der Einheit und der Europäischen Union. Wir hatten das Glück, in Friedenzeiten zu starten, in einer Demokratie zu leben. Städtebaulich wie architektonisch hatten wir die Freiheit, auf unterschiedlichsten Ebenen Antworten auf die Fragen der Umweltgestaltung zu finden. Beide gleichermaßen empfanden wir es als Verpflichtung, unsere Erfahrungen auch außerhalb unseres Büros an die junge Generation weiterzugeben. Das Wirken als Hochschullehrer und die Arbeit der gmp-Stiftung waren uns daher besonders wichtige Anliegen. Meinhards schöpferisches Denken hat insbesondere in der aac Academy for Architectural Culture Fortbestand und wird uns gegenwärtig bleiben.

Meinhard von Gerkan ist im Kreise seiner Familie liebevoll umsorgt gestorben. Als ihn zuletzt die Kraft verließ, wurde sein Abschied für ihn zur Erlösung. Er hat ein wahrhaft erfülltes Leben beschlossen.

Volkwin Marg

Meinhard von Gerkan

Meinhard von Gerkan wurde am 3. Januar 1935 in Riga im heutigen Lettland geboren.
Im Zuge von Flucht und Verlust der Eltern im Zuge des zweiten Weltkriegs verschlug es ihn als Kriegswaise nach Norddeutschland, wo er von einer Pastorenfamilie aufgenommen wurde und die Hamburger Waldorfschule besuchte.
Anschließend studierte er zunächst Physik, wechselte dann aber für das Studium der Architektur an die TU Berlin, wo er seinen späteren Partner Volkwin Marg kennenlernte. Gemeinsam zog es beide 1961 nach Braunschweig, hier zählten Dieter Oesterlen und Friedrich Wilhelm Kraemer zu ihren herausragenden Lehrern.

Schon zu Studentenzeiten an der TU Berlin und TU Braunschweig waren von Gerkan und Marg ein erfolgreiches Duo und sicherten sich mit dem Zeichnen von Wettbewerben für Architekturbüros nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern konnten auch selbst erste Erfolge verzeichnen, so z.B. mit dem dritten Preis für ihren Entwurf des Theaters in Wolfsburg hinter den prominenten Architekten Hans Scharoun und Alvar Aalto — aber noch vor ihrem großen Vorbild, dem Dänen Jørn Utzon.

Mit dem Gewinn des Wettbewerbs für den Flughafen Tegel 1965 gründete Meinhard von Gerkan mit Volkwin Marg nur ein Jahr nach dem Diplom dann die Bürogemeinschaft Architekten von Gerkan, Marg und Partner (gmp). GMP ist heute eines der größten deutschen Architekturbüros mit rund 600 Mitarbeitern an sieben Standorten und verweist auf ein Oevre von mehr als 500 realisierten Projekten weltweit.

Zu den vielfach ausgezeichneten Bauwerken, die die Handschrift Meinhard von Gerkans tragen, zählen in Deutschland die Flughäfen Berlin-Tegel, Hamburg und Stuttgart, der Berliner Hauptbahnhof sowie der Christus-Pavillon für die Expo 2000, der heute im Kloster Volkenroda steht.
Einen besonderen Schwerpunkt stellt zudem seit Jahren die Arbeit in China dar, wo bis heute über 170 Projekte gebaut wurden, darunter der Neu- und Umbau des Chinesischen Nationalmuseums in Peking und die Planung der Stadt Nanhui New City bei Shanghai. In Vietnam gehören das Hanoi Museum sowie das Gebäude der Vietnamesischen Nationalversammlung zu den bekanntesten Bauten.

Als Autor und Kritiker hat von Gerkan in zahllosen Büchern, Fachartikeln und Vorträgen die eigene Praxis reflektiert und zu baukulturellen Debatten beigetragen. Als Hochschullehrer an der Technischen Universität Braunschweig, wo er von 1974 bis 2002 den Lehrstuhl für Entwerfen innehatte, hat er eine ganze Generation von Architekt*innen geprägt. 2002 verliehen ihm die Philipps-Universität Marburg und 2005 die Chung Yuan Christian University die Ehrendoktorwürde. 2007 ernannte die School of Design der East China Normal University in Shanghai von Gerkan zum Ehrenprofessor, seit 2014 war er Advising Professor der Tongji University in Shanghai.

Von Gerkan war Mitbegründer der gmp-Stiftung sowie der Academy for Architectural Culture (aac). Die aac ist eine gemeinnützige Einrichtung, die sich der Weiterbildung von Absolvent*innen und jungen Architekt*innen widmet. Ausgezeichnet wurde er unter anderem mit dem Baukulturpreis des Bundes Deutscher Architekten BDA, dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, dem Liang-Sicheng-Preis der Architectural Society of China sowie dem Rumänischen Staatspreis. Im November 2021 wurde er zum Großoffizier des Verdienstordens der Republik Lettland ernannt.
Dem BDA Berlin gehörte Meinhard von Gerkan seit 1996 an und blieb dem Verband bis zu seinem Tod verbunden.

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